Zwei Jahre Bürgerschaftsbeschluss zum Radentscheid Rostock: “Radverkehr nicht hängen lassen!”
Ein Fahrrad, das symbolträchtig von einem Baum herabhängt, darunter weht ein Banner mit der Aufschrift “Radverkehr nicht hängen lassen” im Wind und im Hintergrund die berühmte Silhouette der Rostocker Innenstadt: Dieses Bild spricht Bände. Anlässlich des zweiten Jahrestags fordert der Radentscheid Rostock die Stadt auf, nun entschlossen die Zielstellung der Fahrradstadt Rostock zu realisieren.
Am 06. November 2019 beschloss die Rostocker Bürgerschaft die Ziele des Radentscheids Rostock möglichst weitgehend zu übernehmen. In den vorangegangenen Monaten sammelten die Mitglieder des Radentscheids und viele freiwillige Helfer 8.366 Unterschriften für das Bürgerbegehren mit dem Ziel einer lebensfreundlichen Fahrradstadt. Im Wahlkampf zur Oberbürgermeisterwahl unterschrieben alle Kandidatinnen und Kandidaten das Anliegen, so auch Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen, der es zum erklärten Ziel seiner Amtszeit machte, Rostock in Bezug auf die Fahrradfreundlichkeit zu einem zweiten Kopenhagen zu machen.
“Die Vorfreude war groß, da nun endlich der politische Wille da war und die Fahrradstadt Rostock in greifbarer Nähe zu sein schien,” sagt Sophia Rabien, Sprecherin des Radentscheids Rostock.
Wie steht es heute um die Fahrradstadt Rostock?
Im Jahr 2018 gründete sich der Radentscheid, mit dem Ziel Fahrrad fahren in Rostock sicher und bequem für alle von 8 bis 99 zu machen. “Seit der Gründung haben wir als Radentscheid dem Radverkehr in Rostock eine Stimme gegeben. Durch zahlreiche Aktionen haben wir gezeigt, wie wir Rostock fahrradfreundlich und lebenswerter machen können. Es waren vor allem Jahre des Problematisierens, die aber dazu geführt haben, dass das Bewusstsein für die Situation der Radfahrenden in Rostock geschärft worden ist”, sagt Rabien. Dies bestätigt auch die vergangene Woche veröffentlichte Umfrage zu den Themen Umwelt und Verkehr, die Rostock einen deutlichen Rückgang der Fahrradfreundlichkeit und des Sicherheitsgefühls bescheinigt. “Für uns als Radentscheid Rostock sind das sowohl gute als auch schlechte Nachrichten”, erklärt Sophia Rabien, “Gut in dem Sinne, dass unsere Arbeit dazu geführt hat, dass die Menschen in Rostock das Thema Radverkehr kritischer und zunehmend realistisch als noch vor 2018 sehen. Und schlecht in dem Sinne, dass es für die Menschen scheinbar keine wahrnehmbaren Veränderungen auf den Straßen Rostocks gibt und die Politik und Verwaltung die Erwartungen nach dem Bürgerschaftsbeschluss nicht erfüllt haben”, führt Rabien weiter aus.
“Nun sollen Jahre einer lösungsorientierten und effizienten Umsetzung folgen.“ Ein Anfang war das Pilotprojekt der Stadt, “Fußgängerzone Am Brink”, das der Radentscheid unterstützte, indem Aktive die Ladenbesitzer informiert haben, wie Fußgängerzonen den Einzelhandel stärken können. “Dass sich auf unseren Druck hin etwas – wenn auch langsam – entwickelt, sieht man auch an den ersten Entwürfen für die Fritz-Reuter-Straße und an der Diskussion um die Lange Straße”, so Rabien. Auch die Anordnung von Tempo 30 ist nun in mehreren Straßen vorgesehen, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen.
Wie liefen die Verhandlungen mit der Stadt ab?
“Im Januar des Jahres 2020 ging die Stadt erstmals auf uns zu, um an Sofortmaßnahmen zu arbeiten”, erinnert sich Malte Brockmann, Sprecher des Radentscheids. “Die folgenden Verhandlungen unter anderem mit Verkehrssenator Holger Matthäus, Mobilitätskoordinator Steffen Nozon und zu Beginn auch kurz mit dem Leiter des Amts für Verkehrsanlagen Heiko Tiburtius waren mit drei angesetzten Terminen zwar straff und ambitioniert, aber dennoch zielorientiert. Es gab am Ende einen breiten Konsens über das notwendige Personal und die Mittel sowie ein Paket an ersten Sofortmaßnahmen.
Und dann kam Corona”, so Brockmann weiter. “Niemand wollte mehr das große Ganze wagen, so blieben die wichtigen Bausteine Personal und Geld im Schrank.” Im ersten Corona-Frühjahr verkündete OB Claus Ruhe Madsen die Einrichtung des Amts für Mobilität und der Fastlane Fahrradstadt. Mit der Maßnahme sollte die Fahrradstadt an Fahrt aufnehmen. Ein Team im Amt soll sich fortan ausschließlich mit der Umsetzung von wichtigen Radverkehrsprojekten beschäftigen. “Etwas mehr Personal stand zwar nun auf dem Papier, leider dauerte es fast ein Jahr, bis die Stadt die Stellen endlich ausgeschrieben hatte”, gibt Brockmann zu bedenken. “Wir freuen uns jetzt natürlich, dass die Fastlane im Dezember endlich ihre Arbeit aufnehmen wird.”
Erschwert wurden die Verhandlungen durch wechselnde Ansprechpersonen, etwa die Leitung des Amtes für Mobilität. Das Amt für Mobilität wurde die ersten Monate kommissarisch von Dr. Ute Fischer-Gäde geleitet. Nachdem die Ausschreibung der Stelle der Amtsleitung ohne Besetzung endete, übernahm Stefan Krause, ebenfalls kommissarisch, die Leitung. “Jetzt ist es wichtig, die Stelle der Amtsleitung erneut auszuschreiben und dann dauerhaft zu besetzen. Mit der Leitung des Amtes und der Fastlane stünden dann endlich Ansprechpartner zur Verfügung, die dann hoffentlich mit allen notwendigen Kompetenzen ausgestattet sein werden, um mit uns auch Entscheidungen treffen zu können”, sagt Brockmann. “Wir haben erste Signale erhalten, dass bald ein Zeitplan für das weitere Vorgehen stehen wird. Das stimmt uns positiv. Wir wollen schon eine ganze Zeit richtig loslegen und Nägel mit Köpfen machen.”
Wie soll es weitergehen?
Wie sich der Radentscheid die nächsten Schritte vorstellt, fasst Marie Heidenreich, Sprecherin des Radentscheids, so zusammen: “Erstens müssen die Verhandlungen zwischen Stadt und Radentscheid professionell und extern moderiert werden, um zielgerichtete Gespräche zu ermöglichen.
Zweitens ist die Entwicklung eines Rostocker Standards für Radverkehrsinfrastruktur notwendig, sodass nicht bei jeder neuen Planung wieder aufwändig geprüft werden muss, in welcher Breite und Beschaffenheit ein Radweg geplant wird”, stellt die Verkehrsexpertin Heidenreich fest. Neben der zügigen Abarbeitung der Sofortmaßnahmen geht es dem Radentscheid um neue Planungsstandards für den Radverkehr in Rostock. Dass diese Einheitlichkeit wichtig ist, illustriert Heidenreich an einem Beispiel: “Ein sicherer Fahrradweg muss immer an die 2,30 Meter breit und vom Autoverkehr getrennt sein und nicht nur, wenn es gerade passt.
Drittens bedarf es eines modernen Radverkehrskonzeptes als Gegenmodell zu den bisherigen, ambitionslosen Konzepten aus den 90ern. Ein zukunftsfähiges Radverkehrskonzept muss einen verbindlichen Zeitplan für alle Straßen, erste Planungen und ein angemessenes Budget umfassen. So kann ein lückenloses Radwegenetz entstehen”, beendet Marie Heidenreich.
Marie Heidenreich resümiert die Forderung des Radentscheids: “Deshalb appellieren wir an die Stadt, den Radverkehr nicht hängen zu lassen. Lasst uns gemeinsam intensiv an unserer Vision der Fahrradstadt Rostock arbeiten und den 8366 Rostockern, die das Bürgerbegehren unterschrieben haben, gerecht werden.”
Hallo,
zu den angesprochenen grundsätzlichen Standards, die bei der Planung und Ausschreibung, dann Bau von Radwegen eingehalten und nicht ständig neu diskutiert werden dürfen, müsste neben den Breiten auch die Anbindung in den höhengleichen Kreuzungsbereichen gedacht werden: das Hochbord darf keine noch so kleine Kante haben, sondern muss glatt, also ohne Stufe, o cm, ausgeführt werden (wie z.B. in Dänemark – Sie hatten es schon erwähnt, das Vorbild und Muster DK). Auf Schnellradwegen darf gar keine Kreuzung mehr auftreten, sonst ist das keine Bevorrechtigung des Radverkehrs – hier IMMER höhenverschiedene Kreuzungen!!!
Auch sollte für jede Ausschreibung, die sich mit Straßenbau- Erneuerung- Sanierung usw in HRO befaßt, aufgegeben werden, dass an Radwegeanbindungen an Kreuzungen kein Hochbord mehr vorzusehen ist bzw. vorhandene Hochborde mit ebener Einschleifung (Hochbord 0 cm) auszuführen sind – also grundsätzliche Ansage für jede Straßenbauausschreibung!!
Vorschlag zur städtischen Radkonzeptentwicklung:
Evershagen als in sich geschlossenen Stadtteil mit relativ junger Bevölkerung, da etliche Studenten hier wohnen, vielen Kindertageseinrichtungen und Schulen sowie vielen ohnehin weniger befahrenen Nebenstraßensystem zum Fahrradstadtteil machen (meinethalben auch als „Prototyp oder Versuchsvorhaben). Das heiß: Radfahrverkehr im Gegenverkehr von Einbahnstraßen zulassen, Fahrradstraßen anordnen und v.a. die begleitenden Hauptverkehrstrasse Bert-Brecht-Straße, die baulich durch die Straßenbahn getrennt ist, muss auf beiden Seiten auf den vorhandenen, mit ausreichender Breite bereits ausgestatteten Radwegen den Zweirichtungsradverkehr zulassen.
Weitere Anregung:
Die Radwegebeziehung von und nach Evershagen – Innenstadt verläuft i.ü. entlang der Straßenbahnlinie und sollte als amtlicher Bestandteil des Radschnellweges eingebunden werden. Optimaler und direkter kann es nicht gehen, ab dem Knoten Evershagen in die Stadt zu gelangen. Am Knoten Evershaben laufen verschiedene „Zubringer“-Routen – sowohl an der Stadtautobahn aus Warnemünde und aus Evershagen und Theodor-Körner-Straße aus dem nahen Umland. Die Frequenz auf dem Weg neben der Straßenbahn ist SEHR hoch und zeigt, dass diese Verbindung von alleine- sogar trotz der schlechten Oberdecke des Weges – genutzt wird.
Effektiv wäre eine Verlängerung in Richtung Stadt ab Marienehe (Straßenbahnhaltestelle) über den vorhandenen Schwarzen Weg, (mittels abmarkierten Fahrradstreifen oder baulicher Trennung einer schmaleren Autotrasse und daneben Fahrradtrasse; Verkehrsmenge läßt das zu) entlang der S-Bahn ab S-BahnStation Bramow über das Parkplatzgelände der RSAG (stadteigene Flächen; eine Abtrennung entlang der S-Bahn auf dem Parkplatz ist das einfachste Detail auf der Vorschlagsroute, weil kein Grunderwerbsproblem) in die Schweriner Straße, die wie im Schwarzen weg eine verkehrsordnerische Trennung erfährt-ggf. unter Abgang von einem der beidseitigen Parkstreifen) bis zum Holbeinplatz, dort unter der S-Bahn hindurch im Zuge des ohnehin vorhandenen Zugang zum Fahrstuhl auf die Bahnsteige; dieser müßte erweitert werden.
Die Anbindung auf der Werftdreieck-Seite dürfte gelingen, da dort eine Planung des Radschnellweges in die B-Planung Werftdreieck vorgesehen ist.
Alles mit relativ kleinem planerischen Besteck zu lösen und könnte auf einen Satz zum einen viele Km- der jährlich versprochenen10 km Radweg bringen, zum anderen einen fertigen gesamten Streckenzug.
Frage:
Warum wird der Radschnellweg ab Werftdreieck an die Hamburger Straße herangeführt und dort parall zur Straßenbahn? das bedeutet eine 90° – Kurve für die (schnellen) Radfahrer direkt an der Straße: ein TABU in der Radschnellwegplanung!! Zu gefährlich, zu große Verringerung der gewonnen Gesamtreisezeit auf der Strecke.
Eine Führung auf der Werftstraße wäre direkter und benötigt keine solche 90° Kurve!!
Und kommt auch an den Knoten Hamburger Traße- Doberaner-Straße mit Fortsetzungsmöglichkeiten in weitere Zielrichtungen.
Fahrradfahrer nehmen i.ü. den direkter verlaufenden Weg (das wäre die Werftstraße), weshalb die Akzeptanz für den Schlenker von der Werftstraße über jetzt noch Max-Eyth-Straße entlang der Bahnlinie zur Hamburger-Straße sehr gering sein dürfte. Es wird dort auch nichts als Ziel-/Quell angebunden. Der ortskundige Radfahrer wird hier die Werftraße bis zur Werft weiterfahren.
Frage:
In der Ulmenstraße wurde viel Straßenraum für eine mit Pollern abgesperrte Mittelinsel auf der gesamten baustrecke vergeudet. Warum hier keine Planung getrennte Fahrradstraße im Zweirichtungsradverkehr baulich getrennt von Autotrasse im Zweirichtungsverkehr? Das darf nur noch als ganz schlechtes Beispiel herangezogen werden – und in der Fortsetzung der Sanierung Ulmenstraße muss es zwingend den parallel laufenden getrennten Verkehr Autostraße-Fahrradstraße geben: es ist das Uni-Viertel!! Hier sind Fahrradverkehrsverbindungen im Vorrang!
Abschlussfrage:
Es würde mich interessieren, wer für das Amt für Mobilität die Planung der Fahrradstadt Rostock beauftragt bekommen hat. Das soll ja ein Büro sein, das auch in Dänemark Stadtplanung gemacht hat (Hören-Sagen).
Hier würde ich mich über eine Antwort freuen!
Vielen Dank für das Gehör – und dran bleiben; ich versuche mal, zu einem der nächsten Termine zu kommen – was bis jetzt leider nie gepaßt hat.
Viele Grüße
Mahnke